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Mutig den eigenen Weg gehen
„Sartolo, der Puppenspieler“ muss bei KiKiBü-Aufführung seine Figuren freilassen
Belecke — “lch will das nicht mehrl“ Wer das aus ganzem Herzen sagt, für den gibt es nur eine Lösung: Die Situation ändern, auch wenn das bedeutet fortzugehen. Die individuelle Freiheit zu suchen und den Mut sie auch zu le ben, darum ging es in dem neuesten Stück des ,,Trotz-alledem-Theaters“ (TaT) aus Bielefeld, das am Sonntagnachmittag auf Einladung der KiKiBü der Kulturinitiative (Ki) in der Neuen Aula in Belecke aufgeführt wurde. Lebhaft nahmen die vielen kleinen, aber auch die großen Zuschauer teil am interaktiven Stück ,,Sartolo, der Puppenspieler“. TaT-Leiter Volker Rott verkörperte den althergebrachten, autoritären Puppentheater-Besitzer, der dem,.“hochverehrten Publikum“ schon zu Beginn klar machte: ,,Ich möchte hier niemanden herumlaufen sehen, kein Butterbrotpapier ocler Chipstüten knistern hören. Ich bemühe mich hier um Perfektion, solch ein Verhalten bedeutet eine Nicht-Achtung meiner Kunst!“ Doch seine Kunst, das Spiel mit den beiden größten Marionetten der Welt, konnte der Miesepriem nicht zeigen. Immer wieder verhakten sich die Fäden und sowohl der Kasper (Henrik Fockel) als auch die Oma (Salina Sahrhage) hingen schlaff unterm Spielkreuz. Wie sehr der Untertitel „Der Kasper geht auf Reisen“ schließlich zum tatsächlichen Stück – das sich aus dem Umstand der vermeindlich kaputten Puppen entwickelte – passte, konnten die Zuschauer bereits erahnen, als der Puppenspieler auf der Suche nach Leiter und Werkzeug den Saal verließ.
Was war das für ein Gejuchze, als Oma und Kasper plötzlich zum Leben erwachten und den Kindern über ihr tristes Leben zwischen ewig gleichen Bewegungen und einer dunklen Holzkiste erzählten. ,,Sartolo“ wollte jedoch nichts von den Zurufen, die Puppen seien lebendig geworden, der aufgeregten Zuschauer hören, sondern beklagte sich lieber über seine Mitmenschen. Doch als auch er schließlich bemerkte, dass seine – von ihm geschnitzten Puppen ein Eigenleben entwickelt hatten, schlug es ihn zunächst einmal um. Die beiden menschlichen Marionetten ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, hängten den Tyrann seinerseits an Fäden und Kreuz und erlaubten sich, ihn nach ihren Vorschriften ,“zappeln“ zu lassen. „Das ist verkehrt! Ohne mich seid ihr nichts!“, schnaubte dieser wütend, als er wieder wach wurde und musste aber bald einsehen, dass er die beiden nicht einfach einfangen und mit seinem Spiel fortfahren kann.
“Was macht ein Puppenspieler wenn seine Puppen nicht mehr wollen?“ wandte er sich verzweifelt an sich selbst und bekam prompt Antwort aus den hinteren Erwachsenenreihen: ,“Ofen an!“ Bevor er aber diese Drohung ausspricht, versuchte er es beim unentschlossenen Kasper mit einem einschmeichelnden Gespräch. ,“Du bist doch meine Lieblingspuppe. Nur noch einmal. Wir spielen ein ganz neues Stiick, in dem die Puppen lebendig werden und machen was sie wollen.“ Die Oma kann er damit jedoch nicht überreden, sie hat auch keine Angst zu Brennholz verarbeitet zu werden, sie will hinaus in die Welt und “Straßenbahn fahren, ins Theater und in Kaufhäuser gehen“, Sonnenbrand und Unwetter zum Trotz.
,“Lauf! Lauf! Lauf!“ Mit aller Stimmgewalt unterstützten die Kinder die beiden menschlichen Puppen bei ihrem Drang nach Freiheit…
Dem Trotz-alledem-Theater war es erneut gelungen, eine wichtige Botschaft kindgerecht und sehr unterhaltsam zu überbringen. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Bühne hatten sie das Kinderstück nach dem Klassiker von Gerd lmbsweiler wieder aufgelegt, nachdem sie bereits vor 30 Jahre große Erfolge mit ,,Sartolo“ gefeiert hatten. Seinen eigenen Weg zu ?nden, den Mut zu haben ihn zu gehen, sich gegen Macht und Autorität durchzusetzen, ist ein Thema. auf das wohl jeder im Laufe seines Heranwachsens (und auch noch später) trifft.
Bezeichnend war, dass ausgerechnet die Oma alle Bedenken in den Wind schlug, sich – im wahrsten Sinne – von ihren Fesseln löste und sich furchtlos auf machte ins Abenteuer Leben. iz
Warsteiner Anzeiger, 28.03.2023